Bad Honnef. Mit einem einstimmigen Beschluss hat der Rat der Stadt Bad Honnef am vergangenen Donnerstagabend eine Stellungnahme verabschiedet, die vom Land eine finanzielle Entlastung der Kommunen bei den Kosten in Folge der Krisenjahre seit 2020 einfordert. Die Landesregierung plant, dass die unvorhersehbaren und immensen Kosten der Krisenbewältigung in den Kommunen nicht mehr isoliert von der städtischen Haushaltsplanung betrachtet werden sollen, sondern ab 2024 sich unmittelbar im jeweiligen Haushaltsjahr auswirken.
Das bedeutet, dass zahlreiche Kommunen wie auch Bad Honnef, die mit Hilfe der Isolierungsmöglichkeit der krisenbedingten Zusatzlasten die Haushaltssicherung vermeiden konnten, auf einen Schlag eine erhebliche Ergebnisverschlechterung einplanen müssen. Die möglichen Folgen sind einschneidend: Steuererhöhungen oder erhebliche Leistungseinschränkungen werden in vielen Gemeinden in der Konsequenz bereits diskutiert. So sieht die Gemeindeordnung vor, dass Gemeinden einen im Plan und im Ergebnis ausgeglichenen Haushalt ausweisen müssen. Oder anders gesagt: Steuern müssten erhöht oder Ausgaben beispielsweise für Schwimmbäder gestrichen werden.
Bürgermeister Otto Neuhoff zum einstimmigen Beschluss des Rates: „Das ist ein gutes und wichtiges Zeichen in Richtung Bund und Land, dass die Finanzkraft der Kommunen nachhaltig gestärkt werden muss, damit die kommunalen Infrastrukturen erhalten bleiben können und den Anforderungen der Zukunft gewachsen sind. Es ist demokratieschädlich, wenn Bund und Land Entlastungspakete und Leistungsverbesserungen beschließen und in der Folge den ehrenamtlichen Mandatsträger in den Gemeinden zumuten, erhebliche Steuererhöhungen zu beschließen allein um das vorhandene Angebot zu erhalten.“
Zum Hintergrund:
Sowohl die Coronapandemie seit dem Jahr 2020 als auch die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 haben die Weltwirtschaft in gravierende und zum Teil auch noch anhaltende Krisenjahre gestürzt. Betroffen davon sind auch die Städte und Gemeinden, so auch die Stadt Bad Honnef: in der Coronapandemie sind auch in Bad Honnef bislang ungeplante Ausgaben für Hygiene, Arbeitsschutz, digitales Arbeiten und digitales Lernen. Ausgaben, die sofort getätigt werden mussten. Nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hat die Stadt Bad Honnef ungeplante Ausgaben für die Aufnahme, Betreuung und Integration der Geflüchteten getätigt, aber auch in Energiesparmaßnahmen und in Vorkehrungen auf eine Energiemangellage tätigen müssen.
Die Kosten der unvorhersehbaren, weltweit spürbaren Krisen wurden in den Jahren 2020 bis einschließlich 2023 von den kommunalen Haushaltsplanungen isoliert betrachtet: enorme krisenbedingte Mehrbelastungen wurden nicht oder nur Anteilig als Ausgabe im jeweiligen Haushaltsjahr angerechnet. Die Landesregierung hat nun angekündigt, diese Isolierung auslaufen lassen zu wollen.
Die Stellungnahme des Rates im Wortlaut:
Stellungnahme zur finanziellen Ausstattung der Stadt Bad Honnef
Einstimmiger Beschluss des Rates der Stadt Bad Honnef vom 17. August 2023
Der Rat beschließt folgende Stellungnahme zur finanziellen Ausstattung der Stadt Bad Honnef, gerichtet an die Landesregierung und den Landtag:
„Anlässlich der Ankündigung der kommunalpolitischen Sprecher der beiden Regierungsparteien CDU und Bündnis 90/Die Grünen zum vorgesehenen Wegfall der Isolierung gemäß dem NKF-CUIG ab dem Haushaltsjahr 2024 gibt der Rat der Stadt Bad Honnef die nachfolgende Stellungnahme gegenüber der Landesregierung und dem Landtag ab und bittet den Landtagspräsidenten diese Stellungnahme allen MdL zukommen zu lassen:
Die Häufung der Krisensituationen und neuen Aufgaben der vergangenen Jahre hat die Kommunen vor Herausforderungen gestellt, die nur mit erheblichen finanziellen und personellen Ressourcen zu meistern waren und in Zukunft nur mit einer dauerhaften und verlässlichen zusätzlichen Finanzausstattung durch das Land aufrecht erhalten werden können.
Zu den Herausforderungen der Kommunen zählen insbesondere:
Kostensteigerungen durch Tarifabschluss
Energiekostenentwicklung
Aufnahme von Geflüchteten und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund
Ausbau für die Ganztagesbetreuung von Kindern mit zusätzlichen Kindergartenplätzen
Ausbau der Offenen Ganztagsschulen
Steigende Ausgaben im Sozialbereich aufgrund der wirtschaftlichen Situation
Wohngeldreform und hierdurch gestiegene Personalaufwendungen
Schaffung von Wohnraum
RE-Investitionen in veraltete kommunale Infrastruktur (Aufarbeitung des Sanierungsstaus in Schulen, Sportstätten, Straßen etc.)
Investitionen zur Begegnung der Herausforderungen durch Klimaschutz, Wärmewende
Klimafolgeanpassung sowie Verkehrswende
Risikovorsorge (Starkregen; Katastrophenschutz; Energiemangellage)
Wärmeplanung
Digitalisierung der Verwaltung und Schaffung der Voraussetzungen des OZG (Onlinezugangsgesetzes)
Personalengpässe
Die Konsolidierung des städtischen Haushalts ist zuletzt durch ein Haushaltssanierungsprojekt sowie zuvor durch Einsparungen bei den Personal- und Sachaufwendungen (u.a. durch Leistungskürzungen und Verzicht auf notwendige Instandsetzungen und Investitionen) angegangen worden, sind mittlerweile ausgereizt und haben den Verfall der städtischen Infrastruktur und der Leistungsfähigkeit der städtischen Verwaltung beschleunigt. Gleichwohl ist es nur vorübergehend gelungen, dem Verzehr des städtischen Eigenkapitals entgegenzuwirken. Seit Einführung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements in 2007 hat sich die allgemeine Rücklage der Stadt Bad Honnef de facto um über 50% reduziert (S. Anlage)
Zum dauerhaften Erhalt der städtischen Leistungsfähigkeit und des strukturellen Haushaltsausgleich im Sinne des § 75 Abs. 2 GO NRW bedarf es einer signifikanten Erhöhung der städtischen Einnahmen und Erträge.
Daher fordert der Rat der Stadt Bad Honnef an die Adresse von Bund und Land NRW
Die deutliche Aufstockung der Verteilungsmasse des GFG, mit dem Ziel die Grund-Finanzausstattung der Kommunen durch das Land so zu erhöhen, dass die Kommunen ihren Aufgaben der Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger in adäquater Form dauerhaft nachkommen können.
Keine Finanzierung der Altschuldenlösung zulasten des GFG. Zwar sind die genauen Bestimmungen zur angedachten Altschuldenlösung derzeit seitens der Stadt Bad Honnef noch nicht bekannt, dennoch lassen die im Juni vorgelegten Eckpunkte zum GFG befürchten, dass hier Mittel allenfalls von einer auf die andere Seite geschoben und sich die finanziellen Auswirkungen für die Stadt Bad Honnef bestenfalls neutral gestalten.
Die Einhaltung des Konnexitätsprinzips gemäß Art. 78 Abs. 3 LVerf NRW, welches bestimmt, dass bei Übernahme von Aufgaben durch die Kommunen, diese entsprechend finanziell auszustatten sind, respektiert wird.
Die Fortführung der Isolierungsmöglichkeiten nach dem NKF-CUIG bis zur Verabschiedung der Regelungen für die ersten beiden Punkte. Die Kommunen leiden weiterhin an den Folgen des Ukrainekrieges, der sich nach Einschätzung vieler Beobachter noch länger andauern könnte. Gestiegene Energie- und Baupreise belasten den städtischen Haushalt. Gleiches gilt für die Zinsaufwendungen, die im Zuge der Bemühungen der galoppierenden Inflation durch erhöhte Leitzinssätze entgegenzuwirken, deutlich angestiegen sind.
Eine faire Verteilung der durch die Stapelkrisen entstandenen Lasten auf die Gebietskörperschaften. Es ist demokratieschädlich, wenn die Überbringung der unangenehmen Botschaft einseitig auf die Schultern der kommunalen Entscheidungsträger abgeladen wird.
Während einerseits im Bund von Hauptamtlichen Politikern Steuersenkungen und zusätzliche soziale Leistungen geplant und realisiert werden, die zulasten der kommunalen Einnahmen gehen, obliegt es den ehrenamtlichen Ratsmitgliedern wegen der daraus resultierenden Unterfinanzierung ihrer Haushalte kommunale Steuern zu erhöhen und/oder das eigene Angebote im Bereich der freiwilligen Leistungen z.B. im Bereich von Bildung und sozialer Förderung für Kinder und Jugendliche oder auch Senioren zu reduzieren.
Nach Einschätzung der Vertreterinnen und Vertreter der dem Rat der Stadt Bad Honnef angehörigen Fraktionen entwickelt sich derzeit ein gefährlicher Trend: Die daraus resultierende Frustration verringert die Bereitschaft von kompetenten BürgerInnen ein ehrenamtliches kommunalpolitisches Engagement anzustreben und erhöht die Chancen von Populisten bei den anstehenden Wahlen.
Die möglichen Auswirkungen zeigen sich in Rheinland-Pfalz: Dort ist jetzt in einer ersten Gemeinde (Freisbach) der gesamte Gemeinderat inklusive Bürgermeister zurückgetreten.“
gez.
Otto Neuhoff
Bürgermeister